Genauere Rechtfertigung

Auf der Hauptseite habe ich einige Behauptungen abgegeben, die ich begründen möchte. 

Bei Wilhelm Gesenius (1786-1842), dem bahnbrechenden hebr. Sprachforscher steht in der überarbeiteten 17. Auflage (1915) auf S. 210 (zu JHWH), dass das an der Stelle gebrauchte Wort HJH nicht „sein“ bedeutet, sondern „eintreten, werden“. Wenn ich ehrlich bin, verstehe ich diese Behauptung nicht. Schon Hiob 1,1 ist ein glatter Gegenbeleg: Die Existenz des Hiob wird ausgesagt, nichts anderes drückt das Wort hier aus. Nun kann mit der späten Entstehung des Buches argumentiert werden, aber so kompliziert möchte ich es nicht werden lassen. Vielleicht war für Gesenius die Erklärung der Bibel zu „naiv“, um sie zu übernehmen.

Das zentrale Verb „sein“ ist nicht gerade selten. In der hebräischen Bibel lassen sich über 3500 Vorkommen belegen. Das Verb ist zur Bezeichnung der einfachen Existenz nicht nötig; dazu reicht schon ein Nominalsatz, das heißt, im Unterschied zum deutschen Gebrauch werden nur Nomina neben einander gestellt, was sehr urtümlich klingt; um es mit einem Beispiel aus einem modernen Film zu belegen – ein Nominalsatz würde lauten: Ich Tarzan. Die beiden Nomina werden in moderner Sprache durch ein „bin“ verbunden. Schon in althebräischer Sprache wird manchmal das verbindende Verb gebraucht, wenn das Wesen einer Person stärker betont werden soll. Das Wörterbuch von Gesenius ist immer noch nicht wirklich ersetzt, sondern hat auch in der Gegenwart seine Bedeutung. Dennoch ist es an vielen Stellen überholt. So lassen Jenni/Westermann in ihrem „Theologischen Handwörterbuch zum Alten Testament die Bedeutung „sein“ unangefochten stehen. Doch habe ich auf der Vorseite behauptet, dass die Septuaginte den Sinn der Stelle getroffen hat. Zu dieser griechischen Übersetzung wird nun in ihrem Handwörterbuch (5. Aufl. 1994, Band 1, Sp. 484) bemerkt, dass „der Sinn der Stelle über die bloße Aussage des Seins Gottes … hinausgeht“. Zu dieser Kritik möchte ich bemerken, dass diese Aussage über die Existenz Gottes m. E. das Erkennen seines Wirkens mit einschließt. Indem nämlich jemand bekennt, dass Gott „ist“, ist auch die Erwartung gegeben, dass er wirkt. Dass die Existenz Gottes mit vollem Herzen angenommen wird, ist keine Selbstverständlichkeit. Wenn jemand es aber tut, glaubt er nicht „nur“ an die Existenz Gottes, sondern erwartet auch sein Wirken. Die Trennung von „sein“ und „wirken“ bei Gott ist nur möglich bei Menschen, die sich nicht klar machen, dass ein wirklicher Glaube an die Existenz Gottes automatisch auch Glaube an sein Wirken ist. Deshalb kann die Septuaginta nicht „nur“ die Existenz Gottes formulieren, sondern muss sein Wirken erwarten. Damit ist der Sinn der Selbstvorstellung Gottes erfasst.